KURZKOMMENTARE
USA: Handelskonflikt mit China seit 2018
Die Vereinigten Staaten haben seit Anfang 2018 unter Trump und später auch unter der Administration Biden in mehreren Schritten die Importzölle auf chinesischen Produkten erhöht. Während sich das gesamte US-Handelsbilanzdefizit in Relation zur Wirtschaftsleistung in dieser Zeit wenig verändert hat, ist das Defizit mit China gesunken, jenes mit anderen Ländern (u.a. Vietnam und Mexico) im Gefolge der erwarteten Umgehungsstrategien aber gestiegen.
Der Rückgang des globalen Industrie-Einkaufsmanager-Indexes 2018 und 2019 dürfte zu einem guten Teil den mit den Zollerhöhungen verbundenen Unsicherheiten geschuldet gewesen sein. Demgegenüber hat der Handelskonflikt mit China die Börse (MSCI World) im Gefolge der Ankündigung höherer Zölle nur am Rand belastet, die schwächere Industriekonjunktur war dennoch ein Faktor hinter dem Rückschlag Ende 2018.
Im Fokus der Zollpolitik der Regierung Trump stehen primär Importe aus Niedriglohnländern, besonders China, aber auch das Abschirmen der US-Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz. Zölle werden auch als Instrument in Verhandlungen eine u.U. bedeutende Rolle spielen, was bereits im November vorexerziert wurde.
Die Äusserungen von Donald Trump im Wahlkampf und die bisherigen Ernennungen ins Kabinett (welches vom Senat noch bestätigt werden muss) legen nahe, dass rasch nach der Amtseinhebung massive Zollerhöhungen auf China-Importen. Im Raum stehen im Mittel 60% Zölle, Trump nannte im November bereits einen Zuschlag von 10% – derzeit sind es gesamthaft rund 20%. bekanntgegeben werden. Dabei dürfte differenziert vorgegangen werden: Güter, welche nicht einfach anderswo beschafft werden können, dürften, wie schon 2018 (Bsp. iPhones), weniger belastet werden. Ebenso drohen Importen aus asiatischen Ländern, welche von Produktionsverlagerungen aus China profitiert haben deutlich höhere Zölle. Neben China hat die USA mit vielen asiatischen Ländern erhebliche Aussenhandelsdefizite, besonders mit Vietnam, aber auch mit Japan, Taiwan, Südkorea, Indien und Thailand. Donald Trump hatte zwar mit Mexiko und Kanada den Nafta-Nachfolgevertrag USMCA 2020 verhandelt, hat im November diesen Ländern dennoch bereits mit massiv höheren Zöllen gedroht.
Inwiefern für Europas Exporte in die USA Zollerhöhungen anstehen, ist unklar. In der ersten Amtsperiode Trump waren es ausgewählte Produkte, u.a. Stahl, die betroffen waren. Die USA dürften Europa dennoch Zölle androhen in Bereichen, wo sie Konzession von Europa erhoffen. Hardliner in der US-Administration streben bilateral ausgeglichene Handelsströme an. Die grössten Exportüberschüsse in Europa mit den USA haben Deutschland und Italien, während etwa Grossbritannien ein Aussenhandelsdefizit mit den USA aufweist.
Eine rasche Erhöhung der US-Importzölle auf Gütern aus China scheint absehbar (Basisszenario). Für eine ansonsten differenzierte und graduelle Herangehensweise spricht, dass es seitens der US-Regierung unerwünscht ist, mit Zollmassnahmen die US-Wirtschaft (reduzierte Kaufkraft der Konsumenten bei breit angelegten starken Zollerhöhungen) und die US-Börse sichtbar zu belasten. Bezüglich US-Zollpolitik besteht derzeit dennoch ein breiter Szenario-Bereich. V.a. sind umfangreichere Zollerhöhungen als in unserem dargestellten Basisszenario im Auge zu behalten, auch auf der Zeitachse, wenn anfängliche Massnahmen nicht die gewünschte Wirkung zeigen. (Dezember 2024)
Börsen: Faktoren, Stile und Segmente
Growth-Aktien im MSCI World haben in diesem Jahr stärker als Value-Aktien abgeschnitten, wobei dies lediglich für die USA (und hier aufgrund eines starken Einflusses der MagnificentSeven) und nicht für Europa gilt.
Das Phänomen der MagnificentSeven bedeutet auch, dass in den USA grosskapitalisierte Werte besser abschneiden als kleinere Werte oder gleichgewichtete Indizes. Der MSCI Europa zeigt demgegenüber eine sehr ähnliche Performance wie der MSCI Europa Mid Cap und der gleichgewichtete MSCI Europe. (November 2024)
Anlagestrategie: US-Konjunktur ausreichend gut
Der Nachrichtenfluss seit Mitte Jahr stützt zusehends Notenbank-Zinssenkungen und ist damit auch positiv für die Anleihemärkte. Insbesondere zeigt sich bei der Inflation eine gewisse Entspannung, getragen vom Dienstleistungsbereich und einem sinkenden Lohndruck. Die Konjunkturdaten haben die Erwartungen v.a. in China und Europa, der Tendenz nach aber auch in den USA, nicht mehr ganz erfüllt, was nachhaltig sinkende Leitzinsen erwarten lässt. Der Ausblick für Anleihen spricht für mittlere Laufzeiten in Europa und längere Laufzeiten in den USA. Generell können längere Laufzeiten in gemischten Portefeuilles, bestehend primär aus Aktien und Anleihen, zur Absicherung konjunktureller Risiken in Betracht gezogen werden.
Da in den USA etwas mehr Spielraum für tiefere Zinsen besteht, ist aus europäischer Sicht eine gewisse Vorsicht gegenüber dem US-Dollar angezeigt (untergewichtet).
Für die Aktienmärkte bleibt die Konjunktur zentral, wobei eine moderate Abkühlung durch die Aussicht auf häufigere Notenbank-Zinssenkungen etwa kompensiert werden dürfte. Dies gilt zumindest solange die Konjunktur nicht deutlich nachlässt, was derzeit nicht zu erwarten ist. So wurden die schwachen US-Daten, welche Anfang August zu einer starken Börsenkorrektur beigetragen haben, von später veröffentlichten Daten nicht bestätigt. Ein positives Aktienszenario würde sich ergeben, wenn die Inflation, insbesondere in den USA, stärker als erwartet zurückgehen würde. In der Summe spricht das Aktienmarktumfeld für eine Neutralgewichtung (auf Basis gewisser Unsicherheiten bezüglich der US-Konjunkturdaten – die Daten bezüglich Konjunktur, Inflation und Unternehmensgewinne sprechen allerdings nicht für eine Untergewichtung).
Regional betrachtet bleibt der Aktienfokus auf Europa und den USA. Eine Untergewichtung von US-Aktien würde sich nur dann aufdrängen, wenn der in den US-Indizes sehr hoch gewichtete Technologiesektor mit einer deutlich nachlassenden Nachfrage konfrontiert wäre, was derzeit nicht erkennbar oder absehbar ist. Im aktuellen Anlageumfeld bietet sich eine ausgewogene Branchen-Allokation bei Aktien an, ohne speziellen Fokus auf zyklische Bereiche. Eher grosskapitalisierte Qualitäts-Wachstums-Werte bieten einen gewissen Schutz in einem konjunkturell etwas anspruchsvolleren Umfeld.
Politisch stehen die US-Wahlen weiterhin im Zentrum des Interesses, wobei der Einfluss der Wahlen auf die Kapitalmärkte nicht überschätzt werden sollte. (September 2024)
Geldpolitik: Folgt den Trends in den Wirtschaftsdaten
Die Geldpolitik folgt den Datentrends, wobei Inflation und Konjunktur bestimmend sind (vereinzelt, etwa in der Schweiz, spielt auch der Wechselkurs eine Rolle).
Mit der Taylor-Regel kann die Geldpolitik tatsächlich recht gut nachvollzogen werden. Damit folgen die Notenbanken den gleichen Daten wie die Investoren an den Kapitalmärkten – oft auch mit den selben Prognoseirrtümern.
Nach einem deutlichen Rückgang der Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2023 gingen Anleger und Notenbanken von einem höheren Zinssenkungspotential aus als jetzt, nachdem die Inflation in den letzten Monaten höher war als erwartet.
Im Zentrum bleibt die Frage, wie flach der Zinssenkungspfad ausfällt, während Leitzinserhöhungen äusserst unwahrscheinlich sind, selbst wenn die Inflation hartnäckig hoch bleibt. (August 2024)
Regionale Trends: Technologie-Gewichtung zentral
Die US-Börse (S&P 500) übertrifft langfristig Europa und die asiatischen Schwellenländer bezüglich Gewinne der Unternehmen und Performance. Der US-Markt ist defensiver als Europa (u.a. tieferer Anteil von Finanzwerten). Wenn Technologie-Aktien und technologienahe Branchen relativ gut abschneiden, ist die USA enorm im Vorteil (Gewichtung von rund 40%, gegenüber weniger als 10% in Europa).
Zu den Bedingungen einer Outperformance Europas – hier sind Value-Aktien stark vertreten – gehören eine gute Weltkonjunktur, hohe Anleiherenditen (positiv für Finanzwerte) und gute Rohstoffmärkte.
Auf Basis freier Cashflows ist Europa seit 2022 günstiger bewertet als die USA. Eine günstige Bewertung alleine dürfte aber für eine Outperformance nicht reichen. (Juli 2024)
Weltwirtschaft: Bessere Konjunktur
Der globale Aufschwung hat sich in den letzten Monaten aufgrund einer etwas anziehenden Konjunktur in Europa und China Verbreitert.
Die Konjunktur in den USA – der bei Weitem wichtigsten Volkswirtschaft für die globalen Kapitalmärkte – präsentiert sich nach wie vor in guter Verfassung.
Europas Volkswirtschaften haben sich in den letzten Monaten erholt und befinden sich wieder auf einem verhaltenen Wachstumskurs. Die Erholung ist der Normalisierung der Konjunktur nach dem Energiepreisschock von 2022 geschuldet, während die anhaltend hohen Zinsen derzeit weniger als befürchtet belasten. Die steigenden Reallöhne sollten den privaten Konsum in Europa zudem zusehends stützen, trotz einer gewissen Zurückhaltung der Konsumenten. Die Wachstumsdiskrepanzen zwischen der Eurozone und den USA und innerhalb Europas bleiben auch 2024 erheblich, während im kommenden Jahr Europa gegenüber den USA bezüglich Wirtschaftswachstum aufholen wird.
Chinas Wirtschaft hat im ersten Quartal etwas stärker zugelegt als erwartet, und die Wachstumsprognosen sind unlängst gestiegen, trotz teilweise verhaltener Daten für das zweite Quartal.
Nach einem über die Erwartungen von Notenbanken und Investoren hinausgehenden Rückgang der Inflation in Europa und den USA in der zweiten Jahreshälfte 2023 sind die Inflationsraten in den letzten Monaten nicht unerwartet wieder gestiegen.
Zentral für den starken Inflationsanstieg im Jahr 2022 waren die Güter- und Energiemärkte. An diesen Märkten konnten 2023 die sich während und nach der Pandemie manifestierenden Kapazitätsengpässe weitgehend eliminiert werden, weshalb sich auch die Güterpreise wieder stabilisiert haben. Bei den Dienstleistungen ist es aufgrund der recht guten Konjunktur derzeit schwerer abschätzbar, ob und wann sich hier der Preisauftrieb in Richtung Notenbankziele ermässigt. Erneute Zinserhöhungen drängen sich zwar nicht auf, Zinssenkungen bedürfen seitens führender Notenbanken aber einer grösseren Gewissheit, dass sich die Inflation nachhaltig in Richtung ihrer Ziele bewegt. (Mai 2024)
Weltwirtschaft: Verhalten positiv, Unwägbarkeit US-Zölle
Die Weltwirtschaft entwickelt sich zwar verhalten, aber insgesamt positiv. Das Wirtschaftswachstum in den USA ist weiterhin robust, während es sich in Europa (mit überraschend schwachen Einkaufsmanager-Indizes im November) und China am unteren Ende der Erwartungen bewegt. China profitiert derzeit allerdings von Käufen von US-Importeuren, bevor die Zölle angehoben werden.
Unter der neuen US-Regierung sind vereinzelte Steuersenkungen, u.a. finanziert durch Importzölle, ein Abbau regulatorischer Vorschriften und eine tiefere Immigration zu erwarten. Von der Zollpolitik ist auch die Weltwirtschaft betroffen. Anpassungen von Zöllen verursachen zwar primär Einmaleffekte bei den Preisen und der Nachfrage, sie können aber auch das Vertrauen im Unternehmenssektor belasten, wie dies 2018 und 2019 der Fall war. Das derzeit nicht im Vordergrund stehende Risikoszenario wäre eine generelle Erhöhung der Importzölle um 10-20%, gefolgt von Gegenmassnahmen der US-Handelspartner. Aus europäischer Sicht wäre zu beachten, dass ein Teil des Effektes allfällig höherer US-Importzölle durch den derzeit erstarkenden US-Dollar kompensiert würde (ein 10% stärkerer US-Dollar und 10% höhere US-Importzölle würde das Preisgefüge und damit die Güterströme nicht verändern). Neben Einmaleffekten dürfte die US-Zollpolitik mittelfristig, besonders in Chinas Exportwirtschaft, auch Strukturanpassungen auslösen. In den USA führen Zölle und damit weniger internationale Arbeitsteilung und Wettbewerb zu weniger Wohlstand als bei offenen Grenzen für Güter.
Während bezüglich US-Zollpolitik eine Vielzahl von Szenarien denkbar sind, erwarten wir im Basisszenario primär deutlich höhere Zölle auf Importen aus China (und vermutlich Ländern wie Vietnam, welche in den letzten Jahren ihre Exporte zu Lasten von China stark erhöht haben), allerdings nach Produkten differenziert. Recht wahrscheinlich dürften auch generell höhere Zölle auf ausgewählten Produktegruppen sein (Bsp. Fahrzeuge).
Im Basisszenario sehen wir gegenüber der bisherigen Prognose in den USA einmalig ein kaum wahrnehmbar höheres Preisniveau (auch vor dem Hintergrund, dass die Zollerhöhungen 2018 und 2019 vorwiegend von den US-Importeuren absorbiert wurden) und eine, das Wachstum nicht spürbar in Frage stellende, reduzierte Kaufkraft der Konsumenten. Chinas Exportwirtschaft wird 2025 das Wachstum dämpfen, trotz staatlicher Stimulus-Massnahmen. Im Basisszenario ist Europa von der US-Zollpolitik direkt nicht betroffen, die Exportwirtschaft wird aber Chinas schwächere Wirtschaft spüren (rund 1,5% der Wirtschaftsleistung der Eurozone sind Exporte nach China, während Exporte in die USA etwa 3% ausmachen). (Dezember 2024)
Weltwirtschaft: Konsum-Faktoren bleiben positiv
Die Weltwirtschaft befindet sich insgesamt in einem Modus verhaltenen Wachstums mit stabiler Kerninflation in den USA und leicht rückläufiger Kerninflation in der Eurozone. Zentral für die globale Kapitalmarktentwicklung ist die Wirtschaft der USA, gefolgt von China und, weniger bedeutend, Europa. Nach einem überdurchschnittlich starken dritten Quartal verlangsamt sich das Wachstum in den USA im laufenden und in den kommenden Quartalen auf normale Niveaus, wobei wir Zeichen der Verlangsamung nicht als rezessive Tendenzen interpretieren würden. In China hat das Wirtschaftswachstum auf einem historisch tiefen Niveau leicht angezogen, unterstützt von staatlichen Hilfsprogrammen. In Europa sind Schwächetendenzen, aber kein Einbruch, erkennbar. Im laufenden Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung in allen grösseren Volkswirtschaften Europas sogar leicht zulegen. Derzeit positiv für den Inflationsabbau und die Konjunktur sind die unlängst deutlich gesunkenen Erdölpreise.
Das Umfeld für den privaten Konsum bleibt unterstützend. Bei Vollbeschäftigung und gesunkenen Inflationsraten hat sich das Wachstum der realen Einkommen (d.h. die Einkommen auf inflationsbereinigter Basis) verbessert. Aus der Pandemie sind weiterhin höher als übliche Ersparnisse vorhanden, und negative Vermögenseffekte sind kaum vorhanden. So sind die Immobilienpreise (wobei Immobilien die wichtigste Vermögenskomponente privater Haushalte sind) in Kontinentaleuropa im Mittel nicht stark gesunken und in den USA und Grossbritannien unlängst sogar wieder gestiegen.
Die in den letzten beiden Jahren stark gestiegenen Zinsen treffen zwar die sehr zinssensitiven Bereiche der Wirtschaft, Finanzierungsstress ist aber nicht generell feststellbar. Es gibt eine Reihe von Faktoren, welche eine verzögerte Reaktion der Gesamtwirtschaft auf den bisherigen Zinsanstieg nahelegen: ein gestiegener Anteil festverzinslicher Hypotheken in Europa, mehrheitlich günstig refinanzierte Festhypotheken während der Pandemie in den USA und immer noch hohe Ersparnisse herrührend aus der Pandemie. Dennoch ist eine deutliche wirtschaftliche Abschwächung weiterhin zu erwarten, sowohl in den USA als auch in Europa, wobei beidseits des Atlantiks eine ausgeprägte Rezession wenig wahrscheinlich ist. Auf Basis vergangener Wirkungsmechanismen der Geldpolitik und der aktuell wirkenden Sonderfaktoren bleibt das Zeitfenster eines Abschwungs ausgedehnter als üblich. (Dezember 2023)
Chinas mittelfristige Wirtschaftsperspektiven
In Chinas 14. Fünfjahresplan vom März 2021 wird eine Verdoppelung der Wirtschaftsleistung bis 2035 in Aussicht gestellt. Dies entspricht einem jährlichen Wachstum von 4,7%. Ausgehend von den jeweils über 6% vor der Pandemie dürfte sich das Wirtschaftswachstum bis am Ende des Jahrzehnts nahezu halbieren, zumal auch die Alterung der Bevölkerung zu einer Abnahme des Potenzialwachstums beiträgt.
Im Fokus der wirtschaftlichen Entwicklung stehen Innovation, Umwelt, Finanzstabilität und «Common Prosperity». Gefördert werden als Wachstumssektoren der private Konsum, erneuerbare Energien und Innovationsbranchen (insbesondere Technologie). Im Gegenzug verliert der Immobiliensektor als zentraler Wachstumsträger (und wichtiger Empfänger von Stimulus-Geldern in konjunkturellen Schwächephasen) der letzten Jahrzehnte an Bedeutung. Von dieser Trendumkehr sind im Besonderen auch Bauunternehmen (viele mit erheblicher Verschuldung und Zahlungsrückstanden auf Anleihen und Krediten) und Investoren (Häuser- und Wohnungsbesitzer; Trusts als Finanzierungsvehikel) betroffen.
Für China steht damit eine Phase tieferen Wachstums an, da die neuen Wachstumstreiber den schwächeren Immobiliensektor aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vollständig kompensieren können. Gerade auch in der Wachstumstransformation wird Chinas Regierung den Wirtschaftsverlauf aber weiter aktiv steuern, weshalb eine ungeordnete Entwicklung nicht zu erwarten ist. Dies gilt auch für Risiken im Finanzsystem (inkl. des Nicht-Banken-Sektors).
Unter der Regentschaft von Xi Jinping ist die Rolle der Kommunistischen Partei Chinas ausgedehnt worden, auch im Unternehmensbereich, womit bei der Kapitalallokation die Gewichtung politischer Kriterien erhöht wurde (was für erhöhte Ineffizienzen spricht).
China wird als zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt zwar weiterhin überdurchschnittlich zulegen, gleichzeitig aber nicht mehr der herausragende Wachstumsmotor wie in den vergangenen zwanzig Jahren sein. Global bedeutet dies rein rechnerisch weniger Wirtschaftswachstum und damit der Tendenz nach tiefe Realzinsen. Für westliche Unternehmen wird China dennoch, aufgrund der Zunahme des privaten Konsums und des wachsenden Anteils der Bevölkerung, welche sich einen breiteren Güterkorb leisten kann, interessant bleiben. (Oktober 2023)
Wie zinssensitiv ist die Wirtschaft noch?
Dass steigende Zinsen letztlich einen Abschwung verursachen, bleibt unbestritten, das Zeitfenster verschiebt sich aber erneut nach hinten (d.h. von bisher Ende Jahr in die erste Jahreshälfte 2024). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zinssensitivität in den letzten zwei Jahrzehnten gesunken sein dürfte. In Europa hat sich der Anteil festverzinslicher Hypotheken erhöht, was die kurzfristige Zinssensitivität reduziert hat. In den USA ist der Schuldendienst in Relation zu den Einkommen der Privathaushalte derzeit tiefer als vor der Pandemie, trotz wesentlich höherer Zinsen, was einem historisch tiefen Anteil variabel verzinslicher Kredite und einem Hypotheken-Refinanzierungsboom während der Pandemie geschuldet sein dürfte. Die Investitionstätigkeit der Unternehmen ist demgegenüber ohnehin weit stärker von der Gewinnentwicklung als dem Zinsniveau geprägt. (September 2023)
Marktbreite: Advance-Decline
Die fünf grössten börsennotierten Unternehmen der USA hatten Mitte 2023 einen Börsenwert von jeweils über 1’000 Mrd. US-Dollar, das grösste Unternehmen in Europa (LVMH) einen von 433 Mrd. Euro (bzw. rund 470 Mrd. US-Dollar – das wäre Position 10 in den USA). Entsprechend war die Veränderung im Börsenwert der grössten Unternehmen in den USA in der ersten Jahreshälfte bis um den Faktor zehn höher als in Europa.
In diesem Jahr, aber auch in den letzten 5, 10 und 20 Jahren, haben die grössten Unternehmen stärker abgeschnitten als der Index, d.h. der Anteil an der Gesamtperformance war sowohl in Europa als auch in den USA weit höher als die Gewichtung der Top-10. In den USA wurde in der ersten Jahreshälfte 2023 sogar ein Extremwert erreicht: 83,2% der Gesamtmarktperformance ging auf das Konto der 10 wichtigsten Performer.
Die Geschichte zeigt, dass dies weniger ein Warnsignal als das Aufholen nach einer schwachen Performance (wie etwa im Jahr 2022) darstellt. Gleichzeitig ist eine Verbreiterung des Markts zu erwarten.
Anders als die Top-10-Performance zeigt die Advance-Decline-Differenz (AD) die generelle Marktbreite. Die AD entspricht der Differenz der Anzahl Aktien mit positiver und negativer Performance in einer Periode.
Eine seit Jahrzehnten gebräuchliche Börsenregel lautet, dass eine tiefe AD in einem positiven Marktumfeld ein erhöhtes Korrekturrisiko impliziert. In positiven Marktphasen zeigt sich, dass tiefe AD-Werte mit einer nur wenig unter dem Mittel liegenden, aber immer noch klar positiven, Performance verbunden sind. Auch der Anteil positiver Perioden ist mit über zwei Dritteln hoch. Es lohnt sich daher nicht, aufgrund einer tiefen AD die Aktienallokation zu reduzieren. Umgekehrt ist eine gute Marktbreite ein Argument für eine Übergewichtung von Aktien in einem positiven Marktumfeld (sehr hoher Anteil positiver Perioden und überdurchschnittliche Erträge). (August 2023)
Aktienmärkte: Übliche Korrekturrisiken, nicht wie 2022
Die Aktienmärkte haben seit Ende Oktober deutlich zugelegt. Getragen wurde die Rallye u.a. von der Erwartung, dass 2024 die Notenbankzinsen gesenkt werden. Dass viele Marktteilnehmer nach einer anfänglichen Euphorie bezüglich des Ausmasses von Zinssenkungen zurückbuchstabieren mussten, stellt die Richtung des Zinsverlaufs nicht grundsätzlich in Frage. Verglichen mit eher pessimistischen Erwartungen vieler Anleger sind die Unternehmensberichte für das Schlussquartal 2023 insgesamt gut ausgefallen. Auch die Konjunkturdaten sind gemessen an verhaltenen Erwartungen ansprechend.
Mit der Rallye sind die Aktienbewertungen gestiegen (s. Grafiken). Die Ausgangslage ist derzeit aber anders als Anfang 2022, als die Aktienkurse deutlich über dem mittelfristigen Trendkanal lagen und steigende Inflationsraten sowie die Wende hin zu höheren Zinsen diese Kursniveaus in Frage stellten. Derzeit liegen die Inflationsdaten zwar etwas höher als die Markterwartungen. Ohne erneuten deutlichen Aufwärtstrend bei der Inflation, was nicht zu erwarten ist, spricht die aktuelle Konstellation nicht für eine ausgeprägte Korrektur. (März 2024)