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KURZKOMMENTARE

Korrektur der KI-Infrastruktur-Anbieter im Januar

Seit einigen Monaten ist es zusehendes offensichtlicher geworden, dass es Möglichkeiten gibt, LLMs (Large Language Models), die das Rückgrat von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) bilden, mit weit weniger Ressourcen zu trainieren – insbesondere was den Einsatz von High-End-Chips betrifft – als dies dem aktuellen Standard entspricht. Im Fokus steht derzeit DeepSeek(DS), ein zwei Jahre altes Startup-Unternehmen aus China. Ihre jüngste App, die seit Januar verfügbar ist, wurde zur am häufigsten heruntergeladenen App in Apples App Store, was an die Zeit erinnert, als ChatGPTvor über zwei Jahren breit zugänglich gemacht wurde.

Es ist zwar unklar, wie hoch die genauen Trainings-Kosten von DS sind, aber es scheint, dass sie um ein Vielfaches tiefer liegen als dies bislang der Fall war. Günstigere KI-Lösungen haben viele Vorteile. Die Zahl der KI-Anwendungen und die Nachfrage steigen bei tieferen Preisen, und günstigere Produkte sind positiv für die Nutzer, d.h. Konsumenten und Unternehmen. DS ist nicht gewinnorientiert (wie dies anfänglich auch OpenAI, der Entwickler von ChatGPT, war). Der Code ist Open-Source und kann frei verwendet werden. Wenn die Preise für KI-Lösungen markant günstiger werden, ist es nicht klar, ob der Gesamtkuchen wachsen wird, es ist aber anzunehmen, ähnlich wie der Umsatz mit Computern zunahm, obwohl die Preise in den letzten Jahrzehnten gesunken sind.

Wahrscheinlich ist gleichzeitig, dass führende Technologieunternehmen die Ausgabenpläne für Rechenzentren überdenken werden, was zumindest eine Nachfragedelle – nicht unmittelbar, aber wohl im späteren Jahresverlauf – bedeutet, insbesondere für die Hersteller von KI-Chips (allen voran Nvidia, aber auch z.B. Broadcom, und der führende holländische High-End-Chip-Maschinenersteller ASML). Betroffen sind auch Cloud-Anbieter (Microsoft, Alphabet und Amazon), aber wohl in geringem Mass, Industrieunternehmen, die von KI profitieren (Bsp. Schneider Electric, Siemens und Amphenol), und sogar Elektrizitätsversorger. Umgekehrt könnten die Technologiebudgets für Digitalisierungsprojekte ausserhalb der KI wieder steigen. Am Markt geht man davon aus. So hat eine Reihe von Technologieaktien von Nicht-KI-Anbietern während des KI-Infrastruktur-Ausverkaufs zulegen können.

Da das Segment der KI-Infrastruktur-Anbieter überschaubar ist, erachten wir deren Korrektur nicht zwingend als negativ für den Gesamtmarkt. Die relative Position von Europa verbessert sich (KI-Infrastruktur-Anbieter haben ein grösseres Gewicht in US-Indizes), wobei eine Outperformance Europas nicht garantiert ist (Stichwort US-Zölle). (Februar 2025)

US-Zollpolitik wieder im Fokus

Die konjunkturelle Entwicklung in den für die globalen Kapitalmärkte wichtigsten Regionen folgt seit Jahren dem Muster, wonach das Wirtschaftswachstum in den USA robust ist, während Europa und China am unteren Ende der Erwartungen zulegen – in China mit strukturell abnehmenden Wachstumsraten. In Europa wäre das Wachstumspotenzial höher, wenn die Konsumenten die derzeit klar positiven realen, d.h. inflationsbereinigten, Einkommenszuwächse nicht primär sparen würden. China bleibt v.a. aufgrund unbereinigter Fehlallokationen im Immobilienbereich noch für Jahre gefordert, wobei die Wirtschaft im Schlussquartal von Sonderfaktoren – Stimulus-Massnahmen der Regierung und Vorabkäufe von US-Importeuren in Erwartung steigender Zölle – profitiert hat.

Der Zoll-Rhetorik des US-Präsidenten folgten erste Massnahmen. Ab dem 4. Februar erheben die USA Zölle von 25 Prozent auf Einfuhren aus Kanada (mit reduziertem Satz von 10% auf Energieprodukten) und Mexiko. Auf Importen aus China gelten zusätzliche Zölle von 10 Prozent. Während das US-Handelsbilanzdefizit mit China nach der Zollrunde 2018 stark an Bedeutung verloren hat, ist jenes mit Mexiko und Kanada in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Ein neuer Handelsvertrag USMCA (United States-Mexico-Canada Agreement, der Nachfolger von NAFTA) mit deutlich geringeren Handelsbilanz-Fehlbeträgen dürfte das Ziel der US-Regierung sein. Die Abwehrstrategien von Kanada und Mexiko basieren auf selektiven Zollerhöhungen auf Importen aus den USA oder Exporten in die USA, um damit gezielt die republikanische Wählerbasis, v.a. in den Swing-States, zu treffen. Beide Länder waren damit 2018 erfolgreich, und der damalige Präsident Trump hatte nachgegeben. Wie lange die erhöhten Zölle der USA in Kraft bleiben ist unklar. Unklar ist auch, welchen Lobby-Gruppen der USA es gelingt, Ausnahmen zu erwirken. Höhere Zölle verteuern Güter in den USA. Der Effekt hängt aber wesentlich davon ab, ob die Importeure oder die Konsumenten die Zölle absorbieren und welche Möglichkeiten des Ausweichens auf andere Anbieter bestehen. Wir gehen davon aus, dass die derzeit sehr robuste US-Wirtschaft gewisse Schocks absorbieren kann und dass eine spürbar schwächere US-Konjunktur nicht im Interesse der US-Regierung liegt.

Zollerhöhungen auf US-Importen aus Europa stehen ebenso an, wobei hier derzeit kein Zeitplan erkennbar ist. Die Schwäche der europäischen Währungen gegenüber dem US-Dollar ist ein Puffer, der einstellige Zollerhöhungen absorbieren kann. Das Risikoszenario ausgehend von der US-Handelspolitik bleibt, dass das Wirtschaftsvertrauen von Unternehmen und Verbrauchern, besonders in Europa, aufgrund erhöhter Unsicherheiten weiteren Schaden nimmt. (Februar 2025)

US-Importzölle steigen 2025 und 2026, aber selektiv

Im Fokus der Zollpolitik der neuen US-Regierung stehen primär Importe aus Niedriglohnländern, besonders China, aber auch das Abschirmen der US-Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz. Zölle werden auch als Instrument in Verhandlungen eine vermutlich bedeutende Rolle spielen(Bsp. Androhung von 25% Zöllen gegenüber Mexiko und Kanada im November 2024).

Trotz anderslautender Rhetorik im Wahlkampf spricht für eine differenzierte und graduelle Anhebung der Importzölle, dass es seitens der US-Regierung unerwünscht ist, mittels Zollmassnahmen die US-Wirtschaft durch höhere Preise und damit eine reduzierte Kaufkraft der Konsumenten zu treffen. Präsident Trump dürfte dabei auch die US-Börse als Gradmesser für die Wirtschaftspolitik im Auge behalten.In unserem Basisszenario rechnen wir primär mit einer deutlichen Anhebung der US-Zölle auf Güterimporten aus China, wobei eine differenzierte Herangehensweise zu erwarten ist. Güter, welche nicht einfach anderswo beschafft werden können (etwa iPhones, welche immer noch mehrheitlich in China produziert werden) dürften, wie schon 2018, weniger bzw. gar nicht durch Sonderzölle belastet werden.

Bezüglich US-Zollpolitik bestehen dennoch viele Szenarien. In einem Risikoszenario, in dem sämtliche bilateralen Handelsbilanzdefizite mittels Zöllen angegangen würden, wäre eine grosse Zahl von Ländern betroffen, auch in Europa. Das gesamte Ausmass der handelspolitischen Interventionen dürfte allerdings erst 2026 absehbar werden.

Die Wirkung von Zöllen

Anpassungen von Zöllen verursachen Einmaleffekte. Die Preise steigen einmalig, anders als bei einer Inflation, welche einen anhaltenden Anstieg des Preisniveaus umschreibt. Ebenso sinkt mit einem Preisanstieg die Kaufkraft einmalig. Währungsanpassungen können höhere Zölle kompensieren: Wenn der Euro gegenüber dem US-Dollar 10% an Wert verliert, dann ändern sich bei 10% höheren US-Importzöllen das Preisgefüge und damit die Güterströme nicht. China dürfte seine Währung abwerten, um zumindest einen Teil der durch höhere US-Zölle verlorenen Wettbewerbsfähigkeit zu kompensieren. Höhere Zölle können dennoch, wie dies 2018 und 2019 der Fall war, das Vertrauen im Unternehmenssektor und damit die globale Konjunktur belasten. Neben Einmaleffekten wird die US-Zollpolitik mittelfristig, besonders in Chinas Exportwirtschaft, auch Strukturanpassungen auslösen. In den USA führen Zölle und damit weniger internationale Arbeitsteilung und Wettbewerb zu weniger Wohlstand als bei weitgehend freiem Güterhandel. (Januar 2025)

USA: Handelskonflikt mit China seit 2018

Die Vereinigten Staaten haben seit Anfang 2018 unter Trump und später auch unter der Administration Biden in mehreren Schritten die Importzölle auf chinesischen Produkten erhöht. Während sich das gesamte US-Handelsbilanzdefizit in Relation zur Wirtschaftsleistung in dieser Zeit wenig verändert hat, ist das Defizit mit China gesunken, jenes mit anderen Ländern (u.a. Vietnam und Mexico) im Gefolge der erwarteten Umgehungsstrategien aber gestiegen.

Der Rückgang des globalen Industrie-Einkaufsmanager-Indexes 2018 und 2019 dürfte zu einem guten Teil den mit den Zollerhöhungen verbundenen Unsicherheiten geschuldet gewesen sein. Demgegenüber hat der Handelskonflikt mit China die Börse (MSCI World) im Gefolge der Ankündigung höherer Zölle nur am Rand belastet, die schwächere Industriekonjunktur war dennoch ein Faktor hinter dem Rückschlag Ende 2018.

Im Fokus der Zollpolitik der Regierung Trump stehen primär Importe aus Niedriglohnländern, besonders China, aber auch das Abschirmen der US-Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz. Zölle werden auch als Instrument in Verhandlungen eine u.U. bedeutende Rolle spielen, was bereits im November vorexerziert wurde.

Die Äusserungen von Donald Trump im Wahlkampf und die bisherigen Ernennungen ins Kabinett (welches vom Senat noch bestätigt werden muss) legen nahe, dass rasch nach der Amtseinhebung massive Zollerhöhungen auf China-Importen. Im Raum stehen im Mittel 60% Zölle, Trump nannte im November bereits einen Zuschlag von 10% – derzeit sind es gesamthaft rund 20%. bekanntgegeben werden. Dabei dürfte differenziert vorgegangen werden: Güter, welche nicht einfach anderswo beschafft werden können, dürften, wie schon 2018 (Bsp. iPhones), weniger belastet werden. Ebenso drohen Importen aus asiatischen Ländern, welche von Produktionsverlagerungen aus China profitiert haben deutlich höhere Zölle. Neben China hat die USA mit vielen asiatischen Ländern erhebliche Aussenhandelsdefizite, besonders mit Vietnam, aber auch mit Japan, Taiwan, Südkorea, Indien und Thailand. Donald Trump hatte zwar mit Mexiko und Kanada den Nafta-Nachfolgevertrag USMCA 2020 verhandelt, hat im November diesen Ländern dennoch bereits mit massiv höheren Zöllen gedroht.

Inwiefern für Europas Exporte in die USA Zollerhöhungen anstehen, ist unklar. In der ersten Amtsperiode Trump waren es ausgewählte Produkte, u.a. Stahl, die betroffen waren. Die USA dürften Europa dennoch Zölle androhen in Bereichen, wo sie Konzession von Europa erhoffen. Hardliner in der US-Administration streben bilateral ausgeglichene Handelsströme an. Die grössten Exportüberschüsse in Europa mit den USA haben Deutschland und Italien, während etwa Grossbritannien ein Aussenhandelsdefizit mit den USA aufweist.

Eine rasche Erhöhung der US-Importzölle auf Gütern aus China scheint absehbar (Basisszenario). Für eine ansonsten differenzierte und graduelle Herangehensweise spricht, dass es seitens der US-Regierung unerwünscht ist, mit Zollmassnahmen die US-Wirtschaft (reduzierte Kaufkraft der Konsumenten bei breit angelegten starken Zollerhöhungen) und die US-Börse sichtbar zu belasten. Bezüglich US-Zollpolitik besteht derzeit dennoch ein breiter Szenario-Bereich. V.a. sind umfangreichere Zollerhöhungen als in unserem dargestellten Basisszenario im Auge zu behalten, auch auf der Zeitachse, wenn anfängliche Massnahmen nicht die gewünschte Wirkung zeigen. (Dezember 2024)

Börsen: Faktoren, Stile und Segmente

Growth-Aktien im MSCI World haben in diesem Jahr stärker als Value-Aktien abgeschnitten, wobei dies lediglich für die USA (und hier aufgrund eines starken Einflusses der MagnificentSeven) und nicht für Europa gilt.

Das Phänomen der MagnificentSeven bedeutet auch, dass in den USA grosskapitalisierte Werte besser abschneiden als kleinere Werte oder gleichgewichtete Indizes. Der MSCI Europa zeigt demgegenüber eine sehr ähnliche Performance wie der MSCI Europa Mid Cap und der gleichgewichtete MSCI Europe. (November 2024)

Anlagestrategie: US-Konjunktur ausreichend gut

Der Nachrichtenfluss seit Mitte Jahr stützt zusehends Notenbank-Zinssenkungen und ist damit auch positiv für die Anleihemärkte. Insbesondere zeigt sich bei der Inflation eine gewisse Entspannung, getragen vom Dienstleistungsbereich und einem sinkenden Lohndruck. Die Konjunkturdaten haben die Erwartungen v.a. in China und Europa, der Tendenz nach aber auch in den USA, nicht mehr ganz erfüllt, was nachhaltig sinkende Leitzinsen erwarten lässt. Der Ausblick für Anleihen spricht für mittlere Laufzeiten in Europa und längere Laufzeiten in den USA. Generell können längere Laufzeiten in gemischten Portefeuilles, bestehend primär aus Aktien und Anleihen, zur Absicherung konjunktureller Risiken in Betracht gezogen werden.

Da in den USA etwas mehr Spielraum für tiefere Zinsen besteht, ist aus europäischer Sicht eine gewisse Vorsicht gegenüber dem US-Dollar angezeigt (untergewichtet).

Für die Aktienmärkte bleibt die Konjunktur zentral, wobei eine moderate Abkühlung durch die Aussicht auf häufigere Notenbank-Zinssenkungen etwa kompensiert werden dürfte. Dies gilt zumindest solange die Konjunktur nicht deutlich nachlässt, was derzeit nicht zu erwarten ist. So wurden die schwachen US-Daten, welche Anfang August zu einer starken Börsenkorrektur beigetragen haben, von später veröffentlichten Daten nicht bestätigt. Ein positives Aktienszenario würde sich ergeben, wenn die Inflation, insbesondere in den USA, stärker als erwartet zurückgehen würde. In der Summe spricht das Aktienmarktumfeld für eine Neutralgewichtung (auf Basis gewisser Unsicherheiten bezüglich der US-Konjunkturdaten – die Daten bezüglich Konjunktur, Inflation und Unternehmensgewinne sprechen allerdings nicht für eine Untergewichtung).

Regional betrachtet bleibt der Aktienfokus auf Europa und den USA. Eine Untergewichtung von US-Aktien würde sich nur dann aufdrängen, wenn der in den US-Indizes sehr hoch gewichtete Technologiesektor mit einer deutlich nachlassenden Nachfrage konfrontiert wäre, was derzeit nicht erkennbar oder absehbar ist. Im aktuellen Anlageumfeld bietet sich eine ausgewogene Branchen-Allokation bei Aktien an, ohne speziellen Fokus auf zyklische Bereiche. Eher grosskapitalisierte Qualitäts-Wachstums-Werte bieten einen gewissen Schutz in einem konjunkturell etwas anspruchsvolleren Umfeld.

Politisch stehen die US-Wahlen weiterhin im Zentrum des Interesses, wobei der Einfluss der Wahlen auf die Kapitalmärkte nicht überschätzt werden sollte. (September 2024)

Geldpolitik: Folgt den Trends in den Wirtschaftsdaten

Die Geldpolitik folgt den Datentrends, wobei Inflation und Konjunktur bestimmend sind (vereinzelt, etwa in der Schweiz, spielt auch der Wechselkurs eine Rolle).

Mit der Taylor-Regel kann die Geldpolitik tatsächlich recht gut nachvollzogen werden. Damit folgen die Notenbanken den gleichen Daten wie die Investoren an den Kapitalmärkten – oft auch mit den selben Prognoseirrtümern.

Nach einem deutlichen Rückgang der Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2023 gingen Anleger und Notenbanken von einem höheren Zinssenkungspotential aus als jetzt, nachdem die Inflation in den letzten Monaten höher war als erwartet.

Im Zentrum bleibt die Frage, wie flach der Zinssenkungspfad ausfällt, während Leitzinserhöhungen äusserst unwahrscheinlich sind, selbst wenn die Inflation hartnäckig hoch bleibt. (August 2024)

Regionale Trends: Technologie-Gewichtung zentral

Die US-Börse (S&P 500) übertrifft langfristig Europa und die asiatischen Schwellenländer bezüglich Gewinne der Unternehmen und Performance. Der US-Markt ist defensiver als Europa (u.a. tieferer Anteil von Finanzwerten). Wenn Technologie-Aktien und technologienahe Branchen relativ gut abschneiden, ist die USA enorm im Vorteil (Gewichtung von rund 40%, gegenüber weniger als 10% in Europa).

Zu den Bedingungen einer Outperformance Europas – hier sind Value-Aktien stark vertreten – gehören eine gute Weltkonjunktur, hohe Anleiherenditen (positiv für Finanzwerte) und gute Rohstoffmärkte.

Auf Basis freier Cashflows ist Europa seit 2022 günstiger bewertet als die USA. Eine günstige Bewertung alleine dürfte aber für eine Outperformance nicht reichen. (Juli 2024)

Weltwirtschaft: Bessere Konjunktur

Der globale Aufschwung hat sich in den letzten Monaten aufgrund einer etwas anziehenden Konjunktur in Europa und China Verbreitert.

Die Konjunktur in den USA – der bei Weitem wichtigsten Volkswirtschaft für die globalen Kapitalmärkte – präsentiert sich nach wie vor in guter Verfassung.

Europas Volkswirtschaften haben sich in den letzten Monaten erholt und befinden sich wieder auf einem verhaltenen Wachstumskurs. Die Erholung ist der Normalisierung der Konjunktur nach dem Energiepreisschock von 2022 geschuldet, während die anhaltend hohen Zinsen derzeit weniger als befürchtet belasten. Die steigenden Reallöhne sollten den privaten Konsum in Europa zudem zusehends stützen, trotz einer gewissen Zurückhaltung der Konsumenten. Die Wachstumsdiskrepanzen zwischen der Eurozone und den USA und innerhalb Europas bleiben auch 2024 erheblich, während im kommenden Jahr Europa gegenüber den USA bezüglich Wirtschaftswachstum aufholen wird.

Chinas Wirtschaft hat im ersten Quartal etwas stärker zugelegt als erwartet, und die Wachstumsprognosen sind unlängst gestiegen, trotz teilweise verhaltener Daten für das zweite Quartal.

Nach einem über die Erwartungen von Notenbanken und Investoren hinausgehenden Rückgang der Inflation in Europa und den USA in der zweiten Jahreshälfte 2023 sind die Inflationsraten in den letzten Monaten nicht unerwartet wieder gestiegen.

Zentral für den starken Inflationsanstieg im Jahr 2022 waren die Güter- und Energiemärkte. An diesen Märkten konnten 2023 die sich während und nach der Pandemie manifestierenden Kapazitätsengpässe weitgehend eliminiert werden, weshalb sich auch die Güterpreise wieder stabilisiert haben. Bei den Dienstleistungen ist es aufgrund der recht guten Konjunktur derzeit schwerer abschätzbar, ob und wann sich hier der Preisauftrieb in Richtung Notenbankziele ermässigt. Erneute Zinserhöhungen drängen sich zwar nicht auf, Zinssenkungen bedürfen seitens führender Notenbanken aber einer grösseren Gewissheit, dass sich die Inflation nachhaltig in Richtung ihrer Ziele bewegt. (Mai 2024)

Chinas mittelfristige Wirtschaftsperspektiven

In Chinas 14. Fünfjahresplan vom März 2021 wird eine Verdoppelung der Wirtschaftsleistung bis 2035 in Aussicht gestellt. Dies entspricht einem jährlichen Wachstum von 4,7%. Ausgehend von den jeweils über 6% vor der Pandemie dürfte sich das Wirtschaftswachstum bis am Ende des Jahrzehnts nahezu halbieren, zumal auch die Alterung der Bevölkerung zu einer Abnahme des Potenzialwachstums beiträgt.

Im Fokus der wirtschaftlichen Entwicklung stehen Innovation, Umwelt, Finanzstabilität und «Common Prosperity». Gefördert werden als Wachstumssektoren der private Konsum, erneuerbare Energien und Innovationsbranchen (insbesondere Technologie). Im Gegenzug verliert der Immobiliensektor als zentraler Wachstumsträger (und wichtiger Empfänger von Stimulus-Geldern in konjunkturellen Schwächephasen) der letzten Jahrzehnte an Bedeutung. Von dieser Trendumkehr sind im Besonderen auch Bauunternehmen (viele mit erheblicher Verschuldung und Zahlungsrückstanden auf Anleihen und Krediten) und Investoren (Häuser- und Wohnungsbesitzer; Trusts als Finanzierungsvehikel) betroffen.

Für China steht damit eine Phase tieferen Wachstums an, da die neuen Wachstumstreiber den schwächeren Immobiliensektor aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vollständig kompensieren können. Gerade auch in der Wachstumstransformation wird Chinas Regierung den Wirtschaftsverlauf aber weiter aktiv steuern, weshalb eine ungeordnete Entwicklung nicht zu erwarten ist. Dies gilt auch für Risiken im Finanzsystem (inkl. des Nicht-Banken-Sektors).

Unter der Regentschaft von Xi Jinping ist die Rolle der Kommunistischen Partei Chinas ausgedehnt worden, auch im Unternehmensbereich, womit bei der Kapitalallokation die Gewichtung politischer Kriterien erhöht wurde (was für erhöhte Ineffizienzen spricht).

China wird als zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt zwar weiterhin überdurchschnittlich zulegen, gleichzeitig aber nicht mehr der herausragende Wachstumsmotor wie in den vergangenen zwanzig Jahren sein. Global bedeutet dies rein rechnerisch weniger Wirtschaftswachstum und damit der Tendenz nach tiefe Realzinsen. Für westliche Unternehmen wird China dennoch, aufgrund der Zunahme des privaten Konsums und des wachsenden Anteils der Bevölkerung, welche sich einen breiteren Güterkorb leisten kann, interessant bleiben. (Oktober 2023)

Wie zinssensitiv ist die Wirtschaft noch?

Dass steigende Zinsen letztlich einen Abschwung verursachen, bleibt unbestritten, das Zeitfenster verschiebt sich aber erneut nach hinten (d.h. von bisher Ende Jahr in die erste Jahreshälfte 2024). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zinssensitivität in den letzten zwei Jahrzehnten gesunken sein dürfte. In Europa hat sich der Anteil festverzinslicher Hypotheken erhöht, was die kurzfristige Zinssensitivität reduziert hat. In den USA ist der Schuldendienst in Relation zu den Einkommen der Privathaushalte derzeit tiefer als vor der Pandemie, trotz wesentlich höherer Zinsen, was einem historisch tiefen Anteil variabel verzinslicher Kredite und einem Hypotheken-Refinanzierungsboom während der Pandemie geschuldet sein dürfte. Die Investitionstätigkeit der Unternehmen ist demgegenüber ohnehin weit stärker von der Gewinnentwicklung als dem Zinsniveau geprägt. (September 2023)

Marktbreite: Advance-Decline

Die fünf grössten börsennotierten Unternehmen der USA hatten Mitte 2023 einen Börsenwert von jeweils über 1’000 Mrd. US-Dollar, das grösste Unternehmen in Europa (LVMH) einen von 433 Mrd. Euro (bzw. rund 470 Mrd. US-Dollar – das wäre Position 10 in den USA). Entsprechend war die Veränderung im Börsenwert der grössten Unternehmen in den USA in der ersten Jahreshälfte bis um den Faktor zehn höher als in Europa.

In diesem Jahr, aber auch in den letzten 5, 10 und 20 Jahren, haben die grössten Unternehmen stärker abgeschnitten als der Index, d.h. der Anteil an der Gesamtperformance war sowohl in Europa als auch in den USA weit höher als die Gewichtung der Top-10. In den USA wurde in der ersten Jahreshälfte 2023 sogar ein Extremwert erreicht: 83,2% der Gesamtmarktperformance ging auf das Konto der 10 wichtigsten Performer.

Die Geschichte zeigt, dass dies weniger ein Warnsignal als das Aufholen nach einer schwachen Performance (wie etwa im Jahr 2022) darstellt. Gleichzeitig ist eine Verbreiterung des Markts zu erwarten.

Anders als die Top-10-Performance zeigt die Advance-Decline-Differenz (AD) die generelle Marktbreite. Die AD entspricht der Differenz der Anzahl Aktien mit positiver und negativer Performance in einer Periode.

Eine seit Jahrzehnten gebräuchliche Börsenregel lautet, dass eine tiefe AD in einem positiven Marktumfeld ein erhöhtes Korrekturrisiko impliziert. In positiven Marktphasen zeigt sich, dass tiefe AD-Werte mit einer nur wenig unter dem Mittel liegenden, aber immer noch klar positiven, Performance verbunden sind. Auch der Anteil positiver Perioden ist mit über zwei Dritteln hoch. Es lohnt sich daher nicht, aufgrund einer tiefen AD die Aktienallokation zu reduzieren. Umgekehrt ist eine gute Marktbreite ein Argument für eine Übergewichtung von Aktien in einem positiven Marktumfeld (sehr hoher Anteil positiver Perioden und überdurchschnittliche Erträge). (August 2023)

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