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KURZKOMMENTARE

Geldpolitik: Folgt den Trends in den Wirtschaftsdaten

Die Geldpolitik folgt den Datentrends, wobei Inflation und Konjunktur bestimmend sind (vereinzelt, etwa in der Schweiz, spielt auch der Wechselkurs eine Rolle).

Mit der Taylor-Regel kann die Geldpolitik tatsächlich recht gut nachvollzogen werden. Damit folgen die Notenbanken den gleichen Daten wie die Investoren an den Kapitalmärkten – oft auch mit den selben Prognoseirrtümern.

Nach einem deutlichen Rückgang der Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2023 gingen Anleger und Notenbanken von einem höheren Zinssenkungspotential aus als jetzt, nachdem die Inflation in den letzten Monaten höher war als erwartet.

Im Zentrum bleibt die Frage, wie flach der Zinssenkungspfad ausfällt, während Leitzinserhöhungen äusserst unwahrscheinlich sind, selbst wenn die Inflation hartnäckig hoch bleibt.

Regionale Trends: Technologie-Gewichtung zentral

Die US-Börse (S&P 500) übertrifft langfristig Europa und die asiatischen Schwellenländer bezüglich Gewinne der Unternehmen und Performance. Der US-Markt ist defensiver als Europa (u.a. tieferer Anteil von Finanzwerten). Wenn Technologie-Aktien und technologienahe Branchen relativ gut abschneiden, ist die USA enorm im Vorteil (Gewichtung von rund 40%, gegenüber weniger als 10% in Europa).

Zu den Bedingungen einer Outperformance Europas – hier sind Value-Aktien stark vertreten – gehören eine gute Weltkonjunktur, hohe Anleiherenditen (positiv für Finanzwerte) und gute Rohstoffmärkte.

Auf Basis freier Cashflows ist Europa seit 2022 günstiger bewertet als die USA. Eine günstige Bewertung alleine dürfte aber für eine Outperformance nicht reichen. (Juli 2024)

 

 

Weltwirtschaft: Bessere Konjunktur

Der globale Aufschwung hat sich in den letzten Monaten aufgrund einer etwas anziehenden Konjunktur in Europa und China Verbreitert.

Die Konjunktur in den USA – der bei Weitem wichtigsten Volkswirtschaft für die globalen Kapitalmärkte – präsentiert sich nach wie vor in guter Verfassung.

Europas Volkswirtschaften haben sich in den letzten Monaten erholt und befinden sich wieder auf einem verhaltenen Wachstumskurs. Die Erholung ist der Normalisierung der Konjunktur nach dem Energiepreisschock von 2022 geschuldet, während die anhaltend hohen Zinsen derzeit weniger als befürchtet belasten. Die steigenden Reallöhne sollten den privaten Konsum in Europa zudem zusehends stützen, trotz einer gewissen Zurückhaltung der Konsumenten. Die Wachstumsdiskrepanzen zwischen der Eurozone und den USA und innerhalb Europas bleiben auch 2024 erheblich, während im kommenden Jahr Europa gegenüber den USA bezüglich Wirtschaftswachstum aufholen wird.

Chinas Wirtschaft hat im ersten Quartal etwas stärker zugelegt als erwartet, und die Wachstumsprognosen sind unlängst gestiegen, trotz teilweise verhaltener Daten für das zweite Quartal.

Nach einem über die Erwartungen von Notenbanken und Investoren hinausgehenden Rückgang der Inflation in Europa und den USA in der zweiten Jahreshälfte 2023 sind die Inflationsraten in den letzten Monaten nicht unerwartet wieder gestiegen.

Zentral für den starken Inflationsanstieg im Jahr 2022 waren die Güter- und Energiemärkte. An diesen Märkten konnten 2023 die sich während und nach der Pandemie manifestierenden Kapazitätsengpässe weitgehend eliminiert werden, weshalb sich auch die Güterpreise wieder stabilisiert haben. Bei den Dienstleistungen ist es aufgrund der recht guten Konjunktur derzeit schwerer abschätzbar, ob und wann sich hier der Preisauftrieb in Richtung Notenbankziele ermässigt. Erneute Zinserhöhungen drängen sich zwar nicht auf, Zinssenkungen bedürfen seitens führender Notenbanken aber einer grösseren Gewissheit, dass sich die Inflation nachhaltig in Richtung ihrer Ziele bewegt. (Mai 2024)

 

Aktienmärkte: Übliche Korrekturrisiken, nicht wie 2022

Die Aktienmärkte haben seit Ende Oktober deutlich zugelegt. Getragen wurde die Rallye u.a. von der Erwartung, dass 2024 die Notenbankzinsen gesenkt werden. Dass viele Marktteilnehmer nach einer anfänglichen Euphorie bezüglich des Ausmasses von Zinssenkungen zurückbuchstabieren mussten, stellt die Richtung des Zinsverlaufs nicht grundsätzlich in Frage. Verglichen mit eher pessimistischen Erwartungen vieler Anleger sind die Unternehmensberichte für das Schlussquartal 2023 insgesamt gut ausgefallen. Auch die Konjunkturdaten sind gemessen an verhaltenen Erwartungen ansprechend.

Mit der Rallye sind die Aktienbewertungen gestiegen (s. Grafiken). Die Ausgangslage ist derzeit aber anders als Anfang 2022, als die Aktienkurse deutlich über dem mittelfristigen Trendkanal lagen und steigende Inflationsraten sowie die Wende hin zu höheren Zinsen diese Kursniveaus in Frage stellten. Derzeit liegen die Inflationsdaten zwar etwas höher als die Markterwartungen. Ohne erneuten deutlichen Aufwärtstrend bei der Inflation, was nicht zu erwarten ist, spricht die aktuelle Konstellation nicht für eine ausgeprägte Korrektur. (März 2024)

Weltwirtschaft: Konsum-Faktoren bleiben positiv

Die Weltwirtschaft befindet sich insgesamt in einem Modus verhaltenen Wachstums mit stabiler Kerninflation in den USA und leicht rückläufiger Kerninflation in der Eurozone. Zentral für die globale Kapitalmarktentwicklung ist die Wirtschaft der USA, gefolgt von China und, weniger bedeutend, Europa. Nach einem überdurchschnittlich starken dritten Quartal verlangsamt sich das Wachstum in den USA im laufenden und in den kommenden Quartalen auf normale Niveaus, wobei wir Zeichen der Verlangsamung nicht als rezessive Tendenzen interpretieren würden. In China hat das Wirtschaftswachstum auf einem historisch tiefen Niveau leicht angezogen, unterstützt von staatlichen Hilfsprogrammen. In Europa sind Schwächetendenzen, aber kein Einbruch, erkennbar. Im laufenden Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung in allen grösseren Volkswirtschaften Europas sogar leicht zulegen. Derzeit positiv für den Inflationsabbau und die Konjunktur sind die unlängst deutlich gesunkenen Erdölpreise.

Das Umfeld für den privaten Konsum bleibt unterstützend. Bei Vollbeschäftigung und gesunkenen Inflationsraten hat sich das Wachstum der realen Einkommen (d.h. die Einkommen auf inflationsbereinigter Basis) verbessert. Aus der Pandemie sind weiterhin höher als übliche Ersparnisse vorhanden, und negative Vermögenseffekte sind kaum vorhanden. So sind die Immobilienpreise (wobei Immobilien die wichtigste Vermögenskomponente privater Haushalte sind) in Kontinentaleuropa im Mittel nicht stark gesunken und in den USA und Grossbritannien unlängst sogar wieder gestiegen.

Die in den letzten beiden Jahren stark gestiegenen Zinsen treffen zwar die sehr zinssensitiven Bereiche der Wirtschaft, Finanzierungsstress ist aber nicht generell feststellbar. Es gibt eine Reihe von Faktoren, welche eine verzögerte Reaktion der Gesamtwirtschaft auf den bisherigen Zinsanstieg nahelegen: ein gestiegener Anteil festverzinslicher Hypotheken in Europa, mehrheitlich günstig refinanzierte Festhypotheken während der Pandemie in den USA und immer noch hohe Ersparnisse herrührend aus der Pandemie. Dennoch ist eine deutliche wirtschaftliche Abschwächung weiterhin zu erwarten, sowohl in den USA als auch in Europa, wobei beidseits des Atlantiks eine ausgeprägte Rezession wenig wahrscheinlich ist. Auf Basis vergangener Wirkungsmechanismen der Geldpolitik und der aktuell wirkenden Sonderfaktoren bleibt das Zeitfenster eines Abschwungs ausgedehnter als üblich. (Dezember 2023)

Chinas mittelfristige Wirtschaftsperspektiven

In Chinas 14. Fünfjahresplan vom März 2021 wird eine Verdoppelung der Wirtschaftsleistung bis 2035 in Aussicht gestellt. Dies entspricht einem jährlichen Wachstum von 4,7%. Ausgehend von den jeweils über 6% vor der Pandemie dürfte sich das Wirtschaftswachstum bis am Ende des Jahrzehnts nahezu halbieren, zumal auch die Alterung der Bevölkerung zu einer Abnahme des Potenzialwachstums beiträgt.

Im Fokus der wirtschaftlichen Entwicklung stehen Innovation, Umwelt, Finanzstabilität und «Common Prosperity». Gefördert werden als Wachstumssektoren der private Konsum, erneuerbare Energien und Innovationsbranchen (insbesondere Technologie). Im Gegenzug verliert der Immobiliensektor als zentraler Wachstumsträger (und wichtiger Empfänger von Stimulus-Geldern in konjunkturellen Schwächephasen) der letzten Jahrzehnte an Bedeutung. Von dieser Trendumkehr sind im Besonderen auch Bauunternehmen (viele mit erheblicher Verschuldung und Zahlungsrückstanden auf Anleihen und Krediten) und Investoren (Häuser- und Wohnungsbesitzer; Trusts als Finanzierungsvehikel) betroffen.

Für China steht damit eine Phase tieferen Wachstums an, da die neuen Wachstumstreiber den schwächeren Immobiliensektor aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vollständig kompensieren können. Gerade auch in der Wachstumstransformation wird Chinas Regierung den Wirtschaftsverlauf aber weiter aktiv steuern, weshalb eine ungeordnete Entwicklung nicht zu erwarten ist. Dies gilt auch für Risiken im Finanzsystem (inkl. des Nicht-Banken-Sektors).

Unter der Regentschaft von Xi Jinping ist die Rolle der Kommunistischen Partei Chinas ausgedehnt worden, auch im Unternehmensbereich, womit bei der Kapitalallokation die Gewichtung politischer Kriterien erhöht wurde (was für erhöhte Ineffizienzen spricht).

China wird als zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt zwar weiterhin überdurchschnittlich zulegen, gleichzeitig aber nicht mehr der herausragende Wachstumsmotor wie in den vergangenen zwanzig Jahren sein. Global bedeutet dies rein rechnerisch weniger Wirtschaftswachstum und damit der Tendenz nach tiefe Realzinsen. Für westliche Unternehmen wird China dennoch, aufgrund der Zunahme des privaten Konsums und des wachsenden Anteils der Bevölkerung, welche sich einen breiteren Güterkorb leisten kann, interessant bleiben. (Oktober 2023)

Wie zinssensitiv ist die Wirtschaft noch?

Dass steigende Zinsen letztlich einen Abschwung verursachen, bleibt unbestritten, das Zeitfenster verschiebt sich aber erneut nach hinten (d.h. von bisher Ende Jahr in die erste Jahreshälfte 2024). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zinssensitivität in den letzten zwei Jahrzehnten gesunken sein dürfte. In Europa hat sich der Anteil festverzinslicher Hypotheken erhöht, was die kurzfristige Zinssensitivität reduziert hat. In den USA ist der Schuldendienst in Relation zu den Einkommen der Privathaushalte derzeit tiefer als vor der Pandemie, trotz wesentlich höherer Zinsen, was einem historisch tiefen Anteil variabel verzinslicher Kredite und einem Hypotheken-Refinanzierungsboom während der Pandemie geschuldet sein dürfte. Die Investitionstätigkeit der Unternehmen ist demgegenüber ohnehin weit stärker von der Gewinnentwicklung als dem Zinsniveau geprägt. (September 2023)

Marktbreite: Advance-Decline

Die fünf grössten börsennotierten Unternehmen der USA hatten Mitte 2023 einen Börsenwert von jeweils über 1’000 Mrd. US-Dollar, das grösste Unternehmen in Europa (LVMH) einen von 433 Mrd. Euro (bzw. rund 470 Mrd. US-Dollar – das wäre Position 10 in den USA). Entsprechend war die Veränderung im Börsenwert der grössten Unternehmen in den USA in der ersten Jahreshälfte bis um den Faktor zehn höher als in Europa.

In diesem Jahr, aber auch in den letzten 5, 10 und 20 Jahren, haben die grössten Unternehmen stärker abgeschnitten als der Index, d.h. der Anteil an der Gesamtperformance war sowohl in Europa als auch in den USA weit höher als die Gewichtung der Top-10. In den USA wurde in der ersten Jahreshälfte 2023 sogar ein Extremwert erreicht: 83,2% der Gesamtmarktperformance ging auf das Konto der 10 wichtigsten Performer.

Die Geschichte zeigt, dass dies weniger ein Warnsignal als das Aufholen nach einer schwachen Performance (wie etwa im Jahr 2022) darstellt. Gleichzeitig ist eine Verbreiterung des Markts zu erwarten.

Anders als die Top-10-Performance zeigt die Advance-Decline-Differenz (AD) die generelle Marktbreite. Die AD entspricht der Differenz der Anzahl Aktien mit positiver und negativer Performance in einer Periode.

Eine seit Jahrzehnten gebräuchliche Börsenregel lautet, dass eine tiefe AD in einem positiven Marktumfeld ein erhöhtes Korrekturrisiko impliziert. In positiven Marktphasen zeigt sich, dass tiefe AD-Werte mit einer nur wenig unter dem Mittel liegenden, aber immer noch klar positiven, Performance verbunden sind. Auch der Anteil positiver Perioden ist mit über zwei Dritteln hoch. Es lohnt sich daher nicht, aufgrund einer tiefen AD die Aktienallokation zu reduzieren. Umgekehrt ist eine gute Marktbreite ein Argument für eine Übergewichtung von Aktien in einem positiven Marktumfeld (sehr hoher Anteil positiver Perioden und überdurchschnittliche Erträge). (August 2023)

Weltwirtschaft – Durchzogenes Wachstum, tiefere Inflation

Die Weltwirtschaft wird derzeit von einer unüblich grossen Zahl gegenläufiger Faktoren geprägt. Positiv sind rückläufige Energiepreise, was die verfügbaren Einkommen der Konsumenten stärkt (besonders auch in Europa), die wieder weitgehend normalisierten Lieferketten und der – allerdings bereits sichtbar nachlassende – Wachstumsschub Chinas. Der Dienstleistungssektor (u.a. Reisen/Gastgewerbe und Teile des Gesundheitswesens) profitiert von einer anhaltenden Normalisierung nach der Pandemie.

Die zinssensitiven Bereiche der Wirtschaft werden demgegenüber von höheren Zinsen belastet. Die Schwäche im Industriesektor, besonders in Europa, dürfte mehrere Ursachen haben. Dazu gehört eine gewisse Zurückhaltung von Unternehmen im Bereich Kapitalgüteranlagen. Ein Teil der Schwäche, welcher durch Lagerabbau im Gefolge der Normalisierung der Verfügbarkeit ausgewählter Einzelteile verursacht wurde (was auch einen Teil des schwachen Auftragseingangs erklärt), dürfte vorübergehender Natur sein. Die Daten für Juni, u.a. die schwachen Einkaufsmanager-Index-Daten, zeigen eine gewisse Abkühlung der Konjunktur, während ein unmittelbares Abgleiten in eine Rezession unwahrscheinlich bleibt.

Mit dem Abebben der positiven Faktoren steigen im späteren Jahresverlauf die Risiken, wenn die gestiegenen Zinsen mit der – in diesem Zyklus unüblich langen – Verzögerung wirken. Die US-Renditekurve zeigt weiterhin ein Rezessionsfenster von Mai 2023 bis Mai 2024. Da keine erheblichen Ungleichgewichte bestehen (Bsp. längere Phasen zu hoher Investitionen im Unternehmenssektor oder eine hohe Verschuldung von Konsumenten), dürfte das Risiko einer schweren Rezession gering sein. Die Konsumenten in Europa und den USA verfügen zudem seit der Pandemie immer noch über höher als übliche Ersparnisse.

Die Entwicklung wichtiger Inflationskomponenten – Energie in Europa, Mietkosten in den USA – deutet darauf hin, dass sich Inflation weiter ermässigt. Tiefere Energiekosten führen verzögert auch zu tieferen Kerninflationsraten, da die Unternehmen nicht mehr gezwungen sind, gestiegene Energiepreise zu überwälzen. (Juli 2023)

Strengere Kreditvergabe-Standards

Wie üblich in einem Zinserhöhungszyklus verschärfen die Banken derzeit die Kreditvergabe-Standards (inkl. der Zinsaufschläge), wobei sich dieser Trend in den USA nicht wie befürchtet akzentuiert hat.

Höhere Zinsen und strengere Kreditstandards hatten bislang keinen wesentlichen Einfluss auf das Wachstum der Bankkredite.

Wir gehen nicht davon aus, dass es zu einem abrupten Abfall in der Kreditvergabe kommt und dass einem stärker als erwarteten «Credit-Crunch» seitens Notenbanken entgegengewirkt werden kann (Zinssenkungen, ergänzt allenfalls durch Liquiditätshilfen in Einzelfällen). (Juni 2023)

Weltwirtschaft: In recht guter Verfassung

Die Daten zur Weltwirtschaft zeigen, dass sie sich trotz Inflation und stark gestiegener Notenbankzinsen weiterhin erstaunlich widerstandsfähig erweist. Dies zeigt sich u.a. in anhaltend rekordtiefen Arbeitslosenraten in Europa und den USA. Positiv für die Konjunktur ist derzeit, dass sich die Energiepreise nach dem enorm starken Anstieg im Frühjahr 2022 deutlich ermässigt haben und die Lieferketten wieder weitgehend normal funktionieren.

Die bisherigen Zinserhöhungen dürften die Konjunktur dennoch zu gegebener Zeit belasten, wobei eine deutliche Abschwächung in den kommenden Monaten nicht zu erwarten ist. Beachtenswert ist, dass recht wenig gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte bestehen, etwa in Form überhöhter Investitionen der Unternehmen oder einer hohen Verschuldung der privaten Haushalte. Daher dürfte eine ausgeprägte Rezession unwahrscheinlich sein. Wir sehen auch keine signifikante Kreditverknappung, zumal Befürchtungen bezüglich der Stabilität des Finanzsystem wieder weitegehend verflogen sind. Korrekturbedarf verorten wir demgegenüber bei den Immobilienpreisen, welche während der extremen Tiefzinsphase vor und während der Pandemie stark gestiegen sind.

Die Inflation, besonders die Kerninflation, ist immer noch höher als erhofft. Die Gesamtinflation sinkt gleichzeitig aufgrund einer deutlichen Entlastung bei den Energiepreisen, besonders in Europa. Bei Vollbeschäftigung bleibt dennoch ein gewisser Inflationsdruck bestehen, weshalb es für die Notenbanken verfrüht wäre, auf eine lediglich im Ansatz schwächere Konjunktur bereits mit Zinssenkungen zu antworten. (Mai 2023)

Finanzsystem: Solide, mit Ausreissern

Kollateralschäden des Zinsanstiegs

Nach den Problemen von Grossbritanniens Pensionskassen im Herbst letzten Jahres war der Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) ein weiterer prominenter Kollateralschaden des inflationsbedingten Zinsanstiegs. Für zwei weitere US-Institute wurden Kryptowährungenim März zum Verhängnis (SilvergateCapital und SignatureBank). Im Gefolge wurde auch die geschwächte und in einer Restrukturierung steckende CréditSuisse mit einem weiteren Misstrauensschub von Kunden und Investoren bedacht, worauf am 19. März eine seitens Regierung, Finanzmarktaufsicht FINMA und Notenbank orchestrierte Übernahme durch die UBS angekündigt wurde.

Dass der enorme Zinsanstieg der letzten 12 Monate Kollateralschäden verursachen würde, war zu erwarten. In einem Umfeld von steigendem Druck auf die Immobilienpreise wären sie besonders auch bei stark im Hypothekargeschäft aktiven Instituten zu vermuten bzw. noch zu erwarten.

Finanzsystem in guter Verfassung, aber keine Regulierung kann Vertrauen garantieren

Die Banken verfügen im Vergleich zu 2008 über wesentlich solidere Bilanzen, insbesondere über weit höhere Eigenmittel. Dennoch muss festgehalten werden, dass sich Vertrauen ins Finanzsystem durch regulatorische Massnahmen zwar stärken, aber nicht garantieren lässt.

Dass ein Vertrauensverlust in einzelne Institute schliesslich das gesamte Finanzsystem erfasst, stellt zwar ein Risiko dar, ist aber aufgrund der insgesamt guten Gewinnlage der Banken und recht solider Kapitalausstattungen keinesfalls das wahrscheinlichste Szenario.

Viel hängt aber auch davon ab, welche Massnahmen (auch kommunikativer Art) Banken, Regierungen, Aufsichtsbehörden und Notenbanken im Krisenfall ergreifen. Im Krisenfall sind umfassende staatliche Interventionen zu erwarten, etwa die vorübergehende Erhöhung der Obergrenzen der Einlagenversicherung oder sogar Garantien für sämtliche Einlagen (und allenfalls weiterer Verbindlichkeiten), sowohl für einzelne Banken oder sogar für ein ganzes Bankensystem. (April 2023)

Europa: Erdgas- und Strompreise

Zentral für die Erdgas- und Strompreise bleiben Ungleichgewichte im Angebot gegenüber der Nachfrage. Die grösste Angebotslücke bei Erdgas und Strom war 2022 zu verzeichnen. 2023 und 2024 sind Übergangsjahre, während ab etwa 2025 mit strukturell normalen Strom- und Gaspreisen gerechnet werden kann. So steigen etwa Kapazitäten für Flüssiggas-Importe 2023 und 2024 merklich. Erneuerbare (Wind, Solar und Biogas) und das Nachrüsten konventioneller Kraftwerke (Ölbefeuerung von Gaskraftwerken, Kohlekraftwerke) erhöhen die Verfügbarkeit von Strom.

Die Nachfrage nach Erdgas sinkt derzeit aufgrund des global sehr warmen Winterwetters, hoher Preise (was die Nachfrage dämpft) und der Covid-bedingt schwachen Wirtschaft in China. In Europa sind zudem die Stromproduktion aus Windkraft und die Flüssiggasimporte (LNG) derzeit höher als erwartet. In der Summe dürften damit die Gasspeicher im April einen Füllstand weit über dem Mittel der letzten Jahre erreichen. Das Risiko, dass die Gasspeicher vor dem Winter 2023/24 nicht ausreichend befüllt werden können, ist damit erheblich gesunken (2023 steht, anders als im Frühjahr 2022, kein Gas aus Nord Stream zur Verfügung).

Ganz verschwunden sind die Kursrisiken am Gas- und Strommarkt aber keinesfalls. So sind dieses Jahr weltweit in der Summe keine neuen LNG-Produktionskapazitäten zu erwarten. Gleichzeitig dürfte die Nachfrage nach LNG in China in den kommenden Monaten wieder steigen, wenn sich die Wirtschaft von der aktuellen Covid-Welle erholt. Dennoch sind in Europa Spitzenpreise für Erdgas und Strom wie 2022 künftig sehr unwahrscheinlich. (Februar 2023)

Anlagestrategie – Konstruktiv, mit Restrisiken

Die Jahre 2020 und 2021 waren durch die Pandemie, Lockdownsund die anschliessende wirtschaftliche Normalisierung geprägt. 2022 begann eine Phase der Inflation – indirekt eine Folge der Pandemie – und deren Bekämpfung durch die Notenbanken, was sich bis mindestens 2023 hinziehen wird. Aus Kapitalmarktsicht führen Perioden von Leitzinserhöhungen zu unterdurchschnittlichen und in Inflationsphasen auch zu negativen Erträgen. Ein Ende der Leitzinserhöhungen durch die Notenbanken ist i.d.R. mit positiven Erträgen bei Anleihen und einer Aktien-Erholungsrallye verbunden. Letztere wird historisch betrachtet i.d.R. durch eine Rezession beendet, welche allerdings oft erst einige Quartale nach dem Ende des Zinserhöhungszyklus eintritt.

Mittelfristig positiv

In einem vernünftigen Mittelfristszenario (nach dem Ende der Inflationsphase in spätestens 2-3 Jahren) wird die wirtschaftliche Entwicklung ähnlich wie vor der Pandemie verlaufen, d.h. das globale Wirtschaftswachstum ist verhalten und die Inflation weitgehend unter Kontrolle. Die aktuellen Anleiherenditen in Europa und den USA sind höher als dies unter einem solchen Mittelfristszenario der Fall sein dürfte. Bei weitgehend inflationsfreiem Wachstum kann jährlich mit etwa mittleren einstelligen Gesamterträgen an den Börsen gerechnet werden (vgl. dazu auch unsere Szenario-Simulationen im Aktienteil).

Szenarien 2023: Schwächere Konjunktur Voraussetzung für mittelfristig positiven Kapitalmarktausblick

Der Weg in die mittlere Frist wird nicht geradlinig verlaufen. Insbesondere ist aus Sicht führender Notenbanken (d.h. der Europäischen Zentralbank und der US Federal Reserve) zur erfolgreichen Überwindung der Inflationsphase, was eine Voraussetzung für ein positives Mittelfristszenario ist, eine schwächere Konjunktur erforderlich.

Zu beachten ist, dass Inflation (negativ für Aktien und Anleihen) und konjunkturelle Schwächephasen (negativ für Aktien, positiv für Staatsanleihen) die langfristig am besten dokumentierten Einflussfaktoren der Kapitalmärkte sind. Auch kurzfristige Bewegungen in den letzten Jahren war stark von diesen Faktoren geprägt.

Bezüglich zeitlichem Verlauf und Ausmass des Aufbaus freier Produktionskapazitäten steht eine Reihe von Szenarien im Raum. Am positivsten für Aktien und Anleihen wäre ein Soft-Landing(d.h. eine längere wirtschaftliche Schwächephase mit einem nur unwesentlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit), wobei es in diesem Szenario vergleichsweise lange dauert, bis der Inflationsdruck eliminiert ist und die Notenbankzinsen sinken. Tatsächlich weist die Kursentwicklung an den Kapitalmärkten darauf hin, dass ein Soft-Landingrecht hoch im Kurs steht.

Problematisch für die Kapitalmärkte wäre ein Szenario, welches, nach einer Pause ab Frühjahr, etwa im Herbst 2023 mit einer weiteren Zinserhöhungsrunde verbunden wäre, wenn weder Konjunktur noch Inflation die von den Notenbanken angestrebte Entspannung zeigen. Selbst in diesem Szenarien wäre eine negative Kursentwicklung ähnlich wie 2022 aber nicht zu erwarten.

Basisszenario: Nachrichtenfluss in der ersten Jahreshälfte besser als in der zweiten.

Am wahrscheinlichsten ist ein Szenario mit einer im historischen Vergleich eher milden Rezession (d.h. Anstieg der Arbeitslosenraten um 1,0-1,5% in Europa und den USA) in der zweiten Jahreshälfte 2023, wobei wir leicht rückläufige BIP-Zahlen in Europa im vierten Quartal 2022 nicht zwingend als Vorboten einer unmittelbar anstehenden Rezession (mit einem entsprechend deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit) werten würden. In einem solchen Szenario würden Anleihen im Gesamtjahr 2023 besser abschneiden als Aktien. Die Börsen dürften in den kommenden Monaten seitens Nachrichtenfluss – Inflationsraten stabil bis tiefer, Ende der Zinserhöhungen der Notenbanken absehbar, keine wesentliche Konjunkturschwäche – der Tendenz nach gestützt bleiben, trotz gelegentlicher Gewinnmitnahmen. Unsere Asset Allocationentspricht einem milden Rezessionsszenario. Wir haben derzeit keine regionalen Börsenfavoriten, zumal eine Outperformance der USA im späteren Jahresverlauf mit einem schwächeren US-Dollar (neu untergewichtet) verbunden sein dürfte. In diesem Szenario verbessern sich die Chancen für das Quality-Growth-Aktiensegment, welches wir auch mittelfristig bevorzugen, im Jahresverlauf.

Bei den Industriemetallen und Agrarrohstoffen ist die Preiskorrektur weit fortgeschritten, wobei Korrektur-Risiken im Einklang mit konjunkturellen Risiken weiterhin gegeben sind. Gold und der Energiebereich können zur Inflationsabsicherung in Betracht gezogen werden, obwohl wir den diesbezüglichen Absicherungsbedarf derzeit nicht als hoch erachten. (Januar 2023)

Inflation: Entspannung bei wichtigen Komponenten

Die in den Konsumentenpreis-Indizes ausgewiesene Gesamtinflation setzt sich aus der Inflation der einzelnen Komponenten zusammen. In dieser Komponenten-Betrachtung sind Zeichen der Entspannung erkennbar. Zu beachten bleibt, dass der zugrundeliegende Inflationsdruck grundsätzlich bestehen bleibt, solange Vollbeschäftigung herrscht, was derzeit in Europa und den USA der Fall ist. In der Summe wird die ausgewiesene Inflation 2023 dennoch mit grosser Wahrscheinlichkeit tiefer ausfallen als 2022.

Besser funktionierende Lieferketten, gesunkene Transportkosten und etwas günstigere Rohstoffpreise führen dazu, dass die Güterpreise nicht weiter steigen und teilweise sogar sinken. Diese Trends sind in den USA bereits gut erkennbar, entlasten die Inflation zusehends aber auch in Europa. Von gesunkenen Energiepreisen profitiert derzeit v.a. die USA. Dort stehen ab spätestens Mitte des kommenden Jahres auch bei den Mietkosten (mit über 30% Gewicht die wichtigste Komponente im Konsumentenpreisindex) tiefere Werte an (während die Mieten am Markt in den USA bereits sinken, wird dies im Konsumentenpreisindex jeweils erst mit einer Verzögerung von 6-9 Monaten erkennbar). (Dezember 2022)

Aktienmärkte: Fundamentale Sensitivitäten

Wir haben analysiert, wie sich die Weltbörsen, die wichtigsten Branchen und einzelne Marktsegmente in Abhängigkeit des fundamentalen Umfelds präsentieren. Ein positiver Wert (des Korrelations-Koeffizienten) bedeutet, dass sich das betrachtete Marktsegment im Einklang mit der entsprechenden fundamentalen Grösse (Bsp. Konjunktur, Inflation) bewegt.

Der Gesamtmarkt steigt bei guter Konjunktur, in der Regel aber auch, wenn Anleiherenditen oder Inflation anziehen und die Geldpolitik gestrafft wird. Wenn Inflation und Zinsen steigen, haben Finanzwerte ihre stärkste Phase. Bei steigenden Zinsen präsentieren sich aber auch Industriewerte vergleichsweise gut. Umgekehrt sind der tägliche Konsum, Gesundheitswerte und Qualitäts-Wachstumswerte bei verhaltener Konjunktur und tiefen Zinsen – was unserem Basisszenario für die mittlere Frist entspricht – die bevorzugten Marktsegmente. (Dezember 2021)

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